Liebesbriefe Liebesbrief Nr.1 28. August 1953 Liebe Freundin Wally! Es ist 12 Uhr nachts, aber um alles in der Welt kann ich keinen Schlaf finden. Sind es die Gedanken an Dich, oder die Gedanken an meine Zukunft, die mich nicht zu Ruhe kommen lassen? Dabei habe ich Frühschicht. Da ich ja bereits14 Tage von München weg bin, befinde ich mich seit über 8 Tagen bei Bekannten in einer Stadt im Norden. Ohne Arbeit gibt es bekanntlich kein Geld, also arbeite ich seit ein paar Tagen im Kohlenbergwerk. Die Arbeit ist hart, schwer und gefährlich - dazu herrscht in 7 - 800 m Tiefe eine unbändige Hitze. Außer Schuhe, Badehose und den Lederhelm ziehen wir nichts an. Da ich den Bekannten nicht zur Last fallen will, lebe ich im Lager. In unserem Zimmer sind wir zu dritt. Von meinen Bekannten bekam ich ein Radio ausgeliehen, das für Unterhaltung sorgt. Mir geht es soweit ganz gut, was ich von Dir liebe Wally auch hoffe. Stark blutet die Wunde noch an meinem Herzen, die Du mir aufgerissen hast. Aber deswegen liebe ich Dich doch noch. Zu tief sitzt die Wurzel der Liebe in mir als daß ich sie hätte herausreißen können. Früher hat jeder Kuß von Dir, die Rose der Liebe erneut frisch aufblühen lassen, jetzt allein wird sie durch schöne Erinnerungen zum Blühen erweckt. Ich sagte Dir, wenn sich unsere Wege mal trennen, bin ich nicht mehr im Stande, jemals einem anderen Mädchen soviel Liebe zu schenken wie Dir. Es ist auch jetzt so. Der Schmerz war zu groß und ich kann keinem Mädchen mehr entgegentreten, um nicht damit rechnen zu müssen, wieder eine Enttäuschung zu haben. Meiner Mutter habe ich heute auch geschrieben, aber ohne meine Adresse angegeben zu haben, sonst hätte ich die Polizei bald am Hals. Es ist mir gelungen bis jetzt unter einem falschen Namen zu leben, aber wie lange? Wenn das aufkommt, sitze ich dann bestimmt 4 Wochen, ich darf es nicht auf die Spitze treiben. Bei meinen 2 Kumpel auf der Bude geht die ganze christliche Erziehung drauf. Unsere Sinne werden durch Filmschauspielerin- und Magazinbilder aufgepeitscht, da ja unser Zimmer reichlich schmucklos ist, dienen diese Bilder als einzige Schmuckgegenstände. Mitunter glaube ich an einem dieser Bilder Deine Züge zu erkennen. Besonders ein Bild über meinem Bett gibt die Gesichtszüge und den anmutigen schönen Frauenkörper von Dir stark wider. Mensch, es ist schon bald ein Uhr und ich habe noch kein Auge voll geschlafen. Um 6 Uhr muß ich wieder unter Erde sein. Das gibt eine Schicht ohne Schlaf und dann aushalten bis 2 Uhr mittags. Wenn ich jetzt mich aufs Ohr lege, verschlafe ich in der Früh. Ich habe noch etwas zu lesen, Radio auch noch, dann bleibe ich auf. Erlaube mir zu schließen mit vielen Grüßen Dein Freund Josef Grüße an alle.Bekannte. Auch an meinen Rivalen, ich bin Euch in keiner Weise böse. Grüße von meinen Kumpel soll ich ausrichten, sind richtige Kasanowas. Liebesbrief Nr.2 2. September 1953 Liebe Wally! Bevor ich aus Deutschland für 5 Jahre fahre, schreibe ich Dir noch ein paar Zeilen in alter Liebe. Ich habe Dir geschrieben, daß ich wo arbeite. Das war in Gelsenkirchen im Kohlenbergwerk. Es sind Hindernisse aufgetreten, die mir das weiterarbeiten in Gelsenkirchen unmöglich machen. 1.Lebe ich unter einem falschen Namen, 2. brauche ich die polizeiliche Abmeldung, die ich auf meine Papiere, die ja gefälscht sind, nicht bekomme. Da ich rechtzeitig noch gewarnt worden bin, konnte ich noch rechtzeitig verduften. Nach 1 1/2 Tagen Marsch kam ich in Koblenz an, habe mich aber gleich in die Fremdenlegion gemeldet, außer mir noch 6 Kameraden. Nach Feststellung der Personalien und einer Körperuntersuchung, wobei ich feststellte, daß ich in den letzten 1 1/2 Monaten 7 kg abgenommen habe, bekamen wir ein Fahrkarte in die Pfalz, in eine Sammelstelle. Zu allem Unglück haben wir uns verfahren, anstatt in Bingen sind wir in Mainz ausgestiegen. Da die Kameraden noch mehr Geld haben als ich, fahren wir jetzt nach Bad Dürkheim, dann per Anhalter weiter. Aber in einem Vorort von Mainz wurde uns der Durst so stark Herr, daß wir erst mal richtig tanken mußten. Aus 1 Glas Bier wurden 6, Coca Cola und zum Schluß mußten noch ein paar Weinflaschen dran glauben. Da ich fast nie trinke, stieg mir alles in den Kopf. Das merkten meine Kameraden. Und sie versuchten mich mit Bohnenkaffee wieder normal zu machen. Aber vergebens. Als ich heute früh zu mir kam, lag ich auf einer Coutsch mit einem brennenden Schädel. Das war mein erster Rausch. Liebe Wally, in meinem Innern schaut es aus, wie eine Stadt nach einem Bombenangriff. Dieser Weg kann meinen Tod bedeuten, oder auch nicht. Es ist schon lange her, daß ich mal die Bemerkung machte, einsperren lasse ich mich nicht, lieber gehe ich in die Legion. Und jetzt ist es soweit. Ob ich bis 21 Jahre in Fürsorge bin oder bis 22 in der Legion, das bleibt sich ziemlich gleich. Wen habe ich noch auf dieser Welt, zu dem ich gehen kann. Die Mutter, nein! Und Dich habe ich auch verloren. Wenn Du nicht gewesen wärst, hätte ich mich schon eher gemeldet. In Bälde sind wir, wenn die Hauptuntersuchung gut ausgeht, in Marsaille und dann geht´s nach Indochina. Aber soviel weiß ich heute schon, Dich kann ich nie vergessen, schon die Tätowierung am Arm, wird dafür sorgen. Denke auch manchmal an mich. Viele Grüße an meine Freunde. Vielleicht sind es die Letzten. Für die Zukunft alles Gute und viel Glück Dein Dich liebender "Rüppel". Liebesbrief Nr.3 4. September 1953 Liebes Fräulein Wally, da Ihr verehrter Freund (?), uns so viel von Ihrer weiblichen Anmut und Ihrer fraulichen Schönheit erzählt hat, sind wir als echte Vorbilder der Männerwelt, mindestens verpflichtet, in heißester Liebe zu Ihnen zu entbrennen. Da wir leider keinen Weg wissen, auf dem wir uns mit Ihnen verständigen könnten, außerdem Sie würden Wert darauf legen mit uns in Verbindung zu bleiben, müßten Sie an meine Heimatadresse schreiben, da ich nächste Woche wahrscheinlich schon zu Hause bin und wenn nicht, wissen meine Eltern immer bescheid wo ich zur Zeit stecke. Sollten Sie noch eine nette Freundin haben, so können Sie uns gemeinsam schreiben. Es wäre eine angenehme Abwechslung im eintönigen Grau des Alltags. Damit Sie sich ein ungefähres Bild von unserer männlichen Schönheit machen können, schreiben wir unsere ungefähren steckbrieflichen Maße auf: Also, das wäre ich: Max, 1. Größe 1,66 m, 2. Gewicht 58 kg (ohne jegliche Bekleidung), 3. sportlich durchtrainierter Körper, 4. Augen blau, 5. Haare dunkelblond, 6. besondere Kennzeichen keine. Der nächste: Franz, 1. Größe 1,84 m baarfuß (jedes Bett zu kurz), 2. 60 kg, 3. wie oben, 4. ebenfalls, 5. Gegenteil, 6. auch. Wir hoffen, daß Sie uns baldigst Nachricht zukommen lassen und hiermit verbleiben wir mit herzlichen Grüßen und 2 Stück Küssen auf Vorschuß ihre nebenan erwähnten Casanovas (nasser lover) Max und Franz Besonders dankbar wären wir Ihnen, wenn Sie uns eine kleine Aufklärung über Josef geben würden, da er immer den Kopf hängt und wir nicht wissen was wir mit ihm anfangen sollen. Irgend etwas kann da nicht ganz stimmen. Sollten Sie an einer Bildzuschrift Interesse haben, wird das schnellsten erledigt. Entschuldigen Sie die Schrift, ich kann's nicht besser.